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Visualisierung des geplanten «Rocket»-Holzhochhauses in Winterthur. Foto: zVg Holzkeller werden durch eine Folie vom Erdreich getrennt, die keine Feuchtigkeit eintreten, sehr wohl aber austreten lässt. Foto: zVg

ZeitschriftenLesezeit 2 min.

Mit dem «Rocket» soll das weltweit höchste Wohngebäude aus Holz entstehen

Das Bauprojekt soll in Winterthur realisiert werden. Doch für das Fundament des Wolkenkratzers ist Beton derzeit noch unersetzlich. Die Firma Timbatec sucht nach neuen Wegen, um Holz auch beim Bau von Untergeschossen einzusetzen.

Anita Merkt* | Die Vorteile des Bauens mit heimischem Holz liegen auf der Hand: Je mehr energieintensiver Beton durch Holz ersetzt werden kann, desto besser ist das für das Klima. Denn Betonbauten setzen enorm viel CO2 frei. Ein lebendiger Baum indes holt CO2 aus der Luft und speichert es. Wird Holz als Baumaterial verwendet, speichert es CO2 auf Jahrzehnte.

Der CO2-Ausstoss in der Schweiz soll auch in der Baubranche gesenkt werden. Die Erbauer des Hochhauses «Rocket» in Winterthur wollen hier vorangehen. Das Prestigegebäude in Winterthur soll 100 Meter hoch und mit einem Holzanteil von 80 Prozent das weltweit höchste Wohngebäude aus Holz werden. 

Europaweit hat unter grossen Baufirmen ein Wettlauf um Türme und Hochhäuser aus Holz begonnen. Das mit 18 Geschossen und 85,4 Metern derzeit höchste Wohnhochhaus aus Holz im norwegischen Brumunddal steht bereits. In der Hamburger Hafencity wird zurzeit am höchsten Holzhochhaus Deutschlands gebaut. In der Schweiz wollen Implenia und Ina Invest mit dem Holzhochhaus «Rocket» als Teil der Winterthurer Lokstadt mehr Nachhaltigkeit erreichen und laut Ina Invest CEO Marc Pointet «in der Immobilienbranche neue Akzente setzen». 

 

Erste Kellergeschosse aus Holz

Andere Pioniere wie die Schweizer Holzbaufirma Timbatec arbeiten schon an der nächsten Phase auf dem Weg zum klimaneutralen Bauten: Viel Potenzial sieht Timbatec bei den Kellern und Fundamenten von Gebäuden. Die Untergeschosse sind meist aus Beton und stecken voller grauer Energie. Anhand einer mehrgeschossigen Wohnüberbauung aus Holz in Winterthur rechnet Timbatec vor, dass für den Keller und die Tiefgarage 17 000 Kubikmeter Beton eingesetzt wurden (siehe Box rechts ).

Auch beim Winterthurer Rocket ist die dreistöckige Tiefgarage aus Beton geplant. Implenia geht von 8300 Kubikmetern aus, die hier in den Boden gegossen werden. 

Timbatec hat derweil bei einem Einfamilienhaus einen der ersten Keller aus Holz erstellt. Der Clou bei der innovativen Konstruktion ist, dass das Holz im Untergeschoss durch eine mehrschichtige Schutzfolie vom Erdreich getrennt wird. Diese lässt die Feuchtigkeit des Holzes zwar nach aussen entweichen, die Feuchte des umgebenden Erdreichs  kann jedoch nicht ins 
Holz eindringen. 

Holzbaufachleute sind sich generell einig, dass es für eine standardisierte Planung von Holzfundamenten bei Hochhäusern noch zu früh ist. Neben der Frage der Machbarkeit bezüglich statischer Anforderungen und Anforderungen an den Baugrund spielen die Robustheit und die Dauerhaftigkeit eine wesentliche Rolle. «Das Fundament ist der empfindlichste Teil eines Gebäudes. Wenn man da etwas instandsetzen muss, wird es schwierig», erklärt Cornelius Oesterlee, Leiter des Studiengangs Holztechnik an der Berner Fachhochschule. Ein Holzkeller sei abgedichtet wie ein Flachdach. «Wenn ein Schaden entsteht, sieht man das nicht sofort», erklärt Oesterlee. Jetzt schon Hochhauskeller aus Holz bauen zu wollen, sei «ein viel zu grosser Sprung.»

Holzfeuchte wird kontinuierlich gemessen

Tatsächlich werden die Holzkeller von Timbatec derzeit noch wissenschaftlich begleitet. Ein Masterstudent der BFH misst an verschiedenen Stellen und Tiefen kontinuierlich die Feuchtigkeit im Holz und im Erdreich. Falls es irgendwo Abweichungen gäbe, könnte man dank des Feuchtemonitorings frühzeitig intervenieren.

Bei Implenia und Ina Invest hat man auf einen Keller aus Holz verzichtet, weil dieses nach Auskunft von Marketing Manager Stephan Meierhofer einer dauerhaften Durchfeuchtung nicht standhält. Ohne chemische Behandlung hält Meierhofer «Holz für den Einsatz in erdberührenden Bereichen nicht für geeignet». Eine 
chemische Behandlung widerspreche 
jedoch den eigenen Anforderungen an 
die Ökologie. Auch Andreas Burgherr, Geschäftsführer von Timbatec Holzbauingenieure Schweiz AG, ist sich bewusst, dass «der Schaden immens ist, wenn etwas schiefgeht. Wir müssen uns an Holzkeller herantasten, wie wir das auch beim oberirdischen Holzbau getan haben.» Es sei darum besser, «den gutschweizerischen Weg der kleinen Schritte» zu gehen. Zudem müsse man erst herausfinden, wie man mit einem Holzfundament die Anforderungen an die Erdbebensicherheit erfüllen könne. «Das war anfangs beim Stahlbetonbau nicht anders», gibt Burgherr zu bedenken. ¢

4000 TONNEN CO2 GESPART

Die Rückbesinnung auf den Einsatz von Holz beim Bau von Häusern kann der Erdatmosphäre enorme Mengen an CO2ersparen. Denn die Produktion von Zement ist für bis zu 8% des globalen jährlichen CO2-Ausstosses verantwortlich. Timbatec rechnet am Beispiel einer Wohnüberbauung aus Holz mit 300 Wohnungen vor, wie mit 10 000 Kubikmetern Holz 8000 Kubikmeter Beton eingespart werden konnten. Dadurch habe beim Bau der schweizweit grössten Holzsiedlung Sue & Til in Winterthur der Ausstoss von 4000 Tonnen CO2 vermieden werden können. Zudem seien im verbauten Holz 10 000 Tonnen CO2 gespeichert (1 Kubikmeter Holz speichert etwa 1 Tonne CO2) und damit der Atmosphäre entzogen. Zum Vergleich: Ein Flug von Frankfurt nach New York und zurück setzt 2,5 Tonnen CO2 pro Person frei. Timbatec weist darauf hin, dass für das Untergeschoss und die Treppenhäuser von Sue & Til noch immer 17 000 Kubikmeter Beton verbaut wurden. Durch die oberirdischen Holzgeschosse konnte also nur ein Drittel des Betons ersetzt werden.

NEUE DECKE AUS 80% HOLZ

Einen 100 Meter hohen Wohnturm wie das Rocket aus Holz zu bauen, ist eine Pionierleistung, bei der es viele Herausforderungen zu meistern gibt. Implenia nennt hier  vor allem den Schutz der Struktur vor Witterungseinflüssen wie Regen, Schnee und Wind und den Brandschutz. Der Rocket-Tower soll zudem Erdbeben standhalten, Stürmen trotzen und viele Jahrzehnte höchsten Wohnkomfort bieten. 

Eine elementare Innovation sind die Holzverbundflachdecken, die Implenia zusammen mit dem Ingenieurbüro WaltGalmarini und der ETH Zürich entwickelt und getestet hat. Ziel war neben einer ausreichenden Stabilität der Materialkombination vor allem die Duktilität, das heisst, die maximale Biegsamkeit unter Schwerbelastung. Die Verbunddecke kombiniert Holz, Stahl und Beton und setze dabei «das richtige Material am richtigen Ort ein», schreibt Implenia. Sie sei 30% leichter als herkömmliche Stahlbetondecken und im Vergleich zu anderen hybriden Deckensystemen auch deutlich dünner. Zudem erfülle sie die Anforderungen an Schall- und Brandschutz, und die Spannweite ermögliche flexible Innenräume und mehr Geschosse als andere hybride Systeme. Weiterer Beton wird beim Rocket durch eine Fassade aus Terracotta-Platten ersetzt. Das für die Tragstruktur eingesetzte Holz stammt von Fichte, Tanne und Buche. Beschafft werden sollen die rund 7500 Kubikmeter aus nachhaltiger Forstwirtschaft im deutschsprachigen Raum.


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