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Erosionsschutzvlies soll künftig noch nachhaltiger produziert werden. Die Lindner Suisse Holzmanufaktur arbeitet daran. Foto: Lindner

ZeitschriftenLesezeit 4 min.

Holzwollematten bald mit Schweizer Buche statt Kunststoff

Die 1920 gegründete Lindner Suisse in Wattwil hielt mit ständigen Neuentwicklungen als einzige Holzwollemanufaktur der Konkurrenz des Kunststoffs stand. Ein Vlies mit Cellulose-Regenerationsfäden aus Buchenholz ist die neuste Errungenschaft.

Thomas Güntert* | «Das 100-jährige Jubiläum, zu dem rund 500 Personen aus 
25 Ländern gekommen wären, mussten wir vor zwei Jahren wegen der Corona-Pandemie absagen», sagt Thomas Wildberger, Geschäftsführer der Lindner Suisse Holzwollemanufaktur in Wattwil. Karl Georg Lindner begann im Jahr 1920 in Lichtensteig mit der Produktion von Holzwolle, die er als Verpackungs- und Stopfmaterial verkaufte, und rund 20 Jahre später stieg sein Sohn Karl Friedrich in das Unternehmen ein. Nach den schwierigen Kriegsjahren florierte das Geschäft Anfang der 1950er-Jahre insbesondere durch die «Euterwolle», die für die Euterhygiene entwickelt wurde. Um eine Vervierfachung der Produktionskapazität zu erreichen, wurde 1956 in Wattwil eine Sägerei gekauft und der Standort verlegt. Durch den maschinellen Einsatz konnten damals bei der Holzwolle schon die kurzen Fasern und der Staub ausgeschieden werden, wodurch man der Konkurrenz einen entscheidenden Schritt voraus war. Im Jahr 1962 entwickelte Lindner zudem ein spezielles Messersystem, mit dem die Holzfäden heute noch auf fünf Hundertstelmillimeter genau in einer Dicke von 0,1 bis 0,25 mm und einer Breite von 1,3 bis 8 Millimeter produziert werden. 

Mit dem Aufkommen der Kunststoffindustrie änderte sich die Situation jedoch rasant, und von den 25 Schweizer Holzwollefabriken musste eine nach der anderen schliessen. Die Firma Lindner setzte stattdessen auf Innovation und erweiterte das Angebot fortlaufend durch besondere Produktideen wie «Erdbeerwolle», Mondholz-Wellnesskissen oder Stopfmaterial für «Steiff»-Teddybären oder den «Züri-Böögg». Nach dem Tod von Karl Friedrich Lindner im Jahr 1966 übernahm der Schwiegersohn Heinz Wildhaber den Betrieb, und 1996 kam Thomas Wildberger, der das Unternehmen im Jahr 2014 übernahm. Weil die Fläche für Lager und Produktion wie in den 1950er-Jahren wiederum nicht mehr ausreichte, wurde vor fünf Jahren eine grosse 
Lagerhalle gebaut. Am einzigen Standort in Wattwil sind 12 Festangestellte, etwa 20 Menschen mit Beeinträchtigungen und nach Bedarf einige Freelancer angestellt. 

Solide Zusammenarbeit mit Forstwirtschaft

Der Holzeinkäufer und Produktionsleiter Pascal Wäspi kauft jedes Jahr vom Winterschlag rund 2000 m³ durchforstetes Holz mit einem Durchmesser von 16 bis 38 Zentimetern. «Ich bezahle für das Holz etwas mehr als die Sägereien», sagt Wäspi. Im Umkreis von rund 60 Kilometern Luftlinie hat er etwa 40 alternierende Lieferanten. Er kann allerdings nur B- und C-Qualitäten brauchen, wobei er am liebsten Holz ohne Rinde und Äste hätte, die zudem nicht verdreht sind. Neben Fichte, Lärche, Föhre, Buche, Eiche, Esche und Ahorn werden auch ein paar Exoten verarbeitet. Arve und Wildkirsche braucht er beispielsweise für die Mondholzkissen. Das Holz weist durch den Klimawandel sehr unterschiedliche Qualitäten auf. Der Holzeinkauf im Kanton Schaffhausen musste aufgegeben werden, weil die Bäume dort zu schnell wachsen. «Zwischen den Jahresringen gibt es bis zu einem halben Zentimeter Abstand, da habe ich nur Staub, wenn wir das Holz hobeln», sagt Wildberger. Das von einer mobilen Schälmaschine entrindete Holz wird auf dem 3000 Kubikmeter fassenden Firmenareal 18 bis 22 Monate gelagert und luftgetrocknet. Dabei reduziert sich das Gewicht von knapp einer Tonne pro Kubikmeter auf etwa 340 Kilogramm, und die Holzfeuchte geht auf 13% zurück. Weil die Holzmenge zu gering ist, um alles voll zu automatisieren, werden für den Holzzuschnitt in den Wintermonaten erfahrene Bergbauern aus der Region einige Wochen beschäftigt. 

Im Werk werden 180 verschiedene Holzwollen hergestellt. In 25 unterschiedlichen Branchen wird sie für die Tierhygiene, zur Lagerung von Lebensmitteln, als Verpackungsmaterial und zunehmend als nachhaltige Alternative im Landschafts-, Strassen- und Gartenbau eingesetzt. 

Einsatz im Wald und in der Forstwirtschaft

In der Produktion werden die Meterrugel erst mit einer Kappsäge auf 50 Zentimeter getrennt und je nach Einsatzbereich selektioniert. Für jeden Anwendungszweck gibt es spezielle Mischungsrezepturen, die allerdings als Betriebsgeheimnis gehütet werden. Die Herstellung erfolgt in zwei Produktionslinien mit jeweils vier Zerspanungsmaschinen, die jeweils von einem Mitarbeiter bedient werden. «Die Gerätschaften sind aus den 1960er-Jahren und werden immer wieder revidiert, weil es keine besseren gibt», betont Wildberger. Um eine optimale Präzision zu gewährleisten, werden die Hobelmesser alle vier Stunden nachgeschliffen. Die abgehobelten Holzfäden fallen in einen Behälter und werden pneumatisch durch ein Rohr in eine Kammer geblasen, wo sie entstaubt und gereinigt werden. Dadurch behält die Holzwolle ihre holzeigene Farbe und hat ein deutlich grös-
seres Volumen. In der Produktion wird fast alles verwertet. Aus der Rinde entsteht Mulch, aus den kleinsten Reststücken Anzündhilfen, und das Sägemehl wird von Landwirten als Nistmaterial und Einstreu abgeholt.

Im Forst werden zunehmend spezielle Wuchshüllen aus Weiden und Hanf zum Schutz vor Wildverbiss und Verfegen verwendet. Sie gewährleisten ein besseres Pflanzenwachstum und verursachen keine Kosten für Rückbau und Entsorgung. Für Begrünung sowie Boden- und Erosionsschutz werden auch spezielle Faschinen und Erosionsschutzvliese hergestellt, die einen einwandfreien Bewuchs garantieren und rückstandsfrei verrotten. 

«Das neuste Produkt ist noch in der Entwicklung», verrät Wildberger. Für die Grundnetze der Holzwollematten, für die in Europa überwiegend Kunststoffe eingesetzt werden, verwendet Lindner Suisse bereits seit fünf Jahren Jutefäden aus Ostasien. Um die Flexibilität der Produktion weiter zu erhöhen und die Abhängigkeit von ausländischen Lieferungen abzubauen, soll das zur Einbettung der Holzwolle eingesetzte Jutegewebe künftig selbst produziert werden. Als Dreher- und Steherfäden sollen Zwirne aus Cellulose-Regenerationsfäden dienen, die vorwiegend aus Buchenholz gewonnen werden und biologisch abbaubar sind. «Das neue Produkt für den Erosionsschutz kann in der Nachhaltigkeit nicht mehr getoppt werden», sagt der Geschäftsführer und Tüftler Thomas Wildberger, der den gesamten Holzwollebedarf in der Schweiz decken könnte und stattdessen etwa 40% ins Ausland exportieren muss

 

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