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Marc Steiner wünscht sich, dass bei öffentlichen Bauten auf Holz und insbesondere eigenes Holz gesetzt wird. Foto: Mischa Hauswirth

ZeitschriftenLesezeit 4 min.

«Die Verwendung von eigenem Holz braucht keine Ausschreibung»

In Sachen Beschaffungsrecht gibt es einen Namen, den sich Waldbesitzende merken sollten: Marc Steiner. Der Richter wirbt im Rahmen von öffentlichen Auftritten mit grosser Leidenschaft für einen Paradigmenwechsel hin zu mehr Nachhaltigkeit und Holz.

Herr Steiner, sind Sie ab und zu im Wald anzutreffen?

Ja, der Wald ist für mich eine riesige Energiequelle. Wenn ich beruflich oder privat etwas verdauen muss, gibt es immer die gleiche Wanderung, die ich dann durch die nahen Wälder unternehme. Danach geht es mir wieder gut. Der Wald ist ein wichtiger Resilienzfaktor für mich.

Sie werben für Holz in der öffentlichen Beschaffung. Wie kam es dazu?

Das war eine extrem spannende Geschichte. Als es vor ein paar Jahren darum ging, das Mindset für öffentliches Beschaffungswesen neu aufzubauen, brauchte es Verbündete. Die fanden sich unter jenen Leuten, die an der Qualität interessiert sind und nicht am Preis. Aber auch unter jenen, die einen gewissen Berufsstolz haben, denn sie verfügen über eine langfristige Optik auf das Material, mit dem sie zusammenleben, sprich den Wald. Ebenso ist das Nachhaltigkeitsthema alleine schon durch ihr Umfeld gegeben. Es gibt wahrscheinlich in der Schweiz kein anderes Gesetz, in dem der Nachhaltigkeitsgedanke früher und besser zum Ausdruck gebracht wurde als das Waldgesetz. Die «Hölzigen» wissen und leben das, aber man muss ihnen dann noch sagen, wie dieses Mindset politisch eingesetzt sein sollte, um gewissermassen die Lufthoheit über dem vergaberechtspolitischen Stammtisch zu erkämpfen. 

Was haben Sie für einen Bezug zu diesen Wald- und Holzfachleuten?

Sie sind mir ans Herz gewachsen. Ich sehe immer wieder Leute, die schulterzuckend ausführen, was man von ihnen verlangt. Die Hölzigen indes haben einen Berufsstolz. Und das lustigerweise über alle Parteigrenzen hinweg. Es sind keine politisch einseitigen Leute. Die Hölzigen wissen, warum sie am Morgen aufstehen. Und davon könnte unsere Gesellschaft mehr gebrauchen.

Politikerinnen und Politiker, aber auch Entscheidungspersonen in den Behörden, bringen in Debatten vor, es könne nicht einfach Holz für Bauprojekte gewählt werden, weil das gegen internationales Recht verstosse. Was sagen Sie dazu?

Das Schweizerische Vergaberecht ist quasi in zwei Teile gesplittet: Auf der einen Seite haben wir das über gewissen Schwellenwerten geltende Welthandelsvergaberecht, und in diesem Bereich ist es tatsächlich so, dass der internationale Wettbewerb offengehalten werden muss. Bei Bauprojekten ab 8,5 Mio. Franken Investitionsvolumen lässt sich nicht einfach sagen: Ich will Holz aus der Schweiz. Das heisst aber auf der anderen Seite nicht, dass man keine Vorgaben machen kann. Gerade wenn man über Holzstandards redet, steht im Waldgesetz klar, dass der Bund, wenn er einkauft, nachhaltiges Holz beschaffen soll. Das bedeutet: Zuerst wird geschaut, dass es gemäss der Holzhandelsverordnung nicht illegal gehandeltes Holz ist, und nach dem Waldgesetz des Bundes muss auf Bundesebene ausserdem Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft beschafft werden. 

Wo liegt der Ermessensspielraum der Auftraggeberinnen?

Es gibt da so ein pseudojuristisches Narrativ, dass es einen Anspruch auf «materialoffene» Ausschreibung gebe. Das stimmt nicht. Im Artikel 30 des Beschaffungsrechts steht, die Auftraggeberseite kann sagen, welches Material sie will. Und es gibt einen grossen Ermessensspielraum. Auch die Gerichte können hier der Auftraggeberin nicht dreinfunken. Was aus rechtlicher Sicht nicht ginge, wäre, bei einer öffentlichen Beschaffung beispielsweise Autos von einer bestimmten Marke zu bevorzugen. Klar definiert werden kann indes, dass ein Gebäude aus Holz gebaut werden muss. In Deutschland ist auch vom «Leistungsbestimmungsrecht» die Rede. Wer diese Möglichkeit bei einer Beschaffung infrage stellt, macht das mit einer politischen Zielsetzung und probiert die Holzbaupolitik zu bremsen. Mit anderen Worten: Es gibt keinen Anspruch darauf, dass kein bestimmtes Material vorgegeben wird.

 Was konkret können Politikerinnen oder Politiker sowie Behörden bei einem öffentlichen Bauprojekt für Schweizer Holz tun?

Wie gesagt: Oberhalb von 8,5 Mio. Franken Investitionsvolumen können sie nicht einfach Schweizer Holz verlangen. Jetzt kommt allerdings ein grosses Aber, es gibt eine geniale Variante, die hier eine Lösung bringt.

Welche?

In der Schweiz sind ja sehr viele Gemeinden, aber auch Bund und Kantone im Besitz von Wald und somit Holzeigentümer. Für mich gilt hier: Bei der Methode, eigenes Holz einzusetzen, muss das Maximum herausgeholt werden. Wenn man dem Unternehmen, das das Holz verbauen soll, sagt, du bekommst das von mir, also dass es auftraggeberseitig aus eigenem Bestand gestellt wird, ist das kein Problem. Es muss beschaffungsrechtlich auch nicht ausgeschrieben werden.

 Und das kann beispielsweise eine Behörde oder ein Regierungsrat selber entscheiden?

Genau. Jene, die befugt sind, den Auftrag auszuschreiben, die können auch sagen, wir setzen eigenes Holz ein. Vermutlich kommt es hier noch zu einer verwaltungsinternen Absprache. Es braucht aber – das scheint mir wichtig – eine kluge Organisation, um hier möglichst viel zu erreichen.

Was meinen Sie mit «kluger Organisation»?

Es gibt Präjudizien, dass eine Gemeinde sagt, ich nehme Holz aus dem eigenen Wald, etwa für ein neues Gemeinde- oder Schulhaus. Im Thurgau hat die ehemalige Regierungsrätin Carmen Haag (Die Mitte, bis 2022 Thurgauer Vorsteherin Departement Bau und Umwelt, Anm. d. Red.) sehr pointiert einen Holzbau gefordert. Aber solche Beispiele gibt es noch zu wenig. Wenn man das Potenzial des eigenen Holzes optimal nutzen will, braucht es die Überlegung, ob es nicht besser wäre, eine grössere Waldfläche zusammen zu bewirtschaften. Dann hat man die richtige Qualität Holz im richtigen Moment zur Verfügung. Beispielsweise könnten dann mehrere Gemeinden zusammen mit einem Forstwirtschaftszweckverband operieren. So wäre alles «eigenes Holz», und nicht nur das aus der Gemeinde A oder B. Hier bieten sich sehr viele Möglichkeiten an, deshalb sollten diese auch genutzt werden. 

Zu welcher Vorgehensweise raten Sie?

Zuerst muss mit dem Forstbetrieb abgeklärt werden, ob es im Wald ausreichend Holz in der benötigten Qualität gibt und ob es sich termingerecht bereitstellen lässt. Bei gewissen Projekten hat sich das als schwierig erwiesen. Es bietet sich deshalb an, das Projekt zu splitten: Einerseits ist da der grosse Projektumsetzer, der das Holz verbauen soll. Wenn der aber das Holz nicht ab Waldstrasse verarbeiten kann oder will, kann man einen separaten Auftrag machen, zum Beispiel an eine Sägerei. Die soll die für den Bau benötigten Holzprodukte oder Rohbestandteile davon (Lamellen)herstellen und gegebenenfalls auch lagern. Das Ergebnis ist, dass einerseits ein kleiner normaler öffentlicher Auftrag für die Holzprodukte besteht, und andererseits ein grosser normaler öffentlicher Auftrag für den Holzbau. So lässt sich die Einschränkung machen, dass der Holzbauunternehmer das Holz der Sägerei verwenden muss. Da es sich ja immer um das gleiche Holz handelt, nämlich um das aus der Gemeinde oder dem Forstwirtschaftszweckverband, muss dieses ja auch nicht ausgeschrieben werden.

Das widerlegt aber nicht die Argumente, dass das regionale Holz teurer ist als billigeres Importholz.

Wenn das Holz selber zur Verfügung gestellt werden soll, ist das tatsächlich ein Kostenfaktor Der Entscheid, eigenes Holz zu verwenden, geniesst aber grosse politische Akzeptanz in allen Lagern. Wir dürfen nicht vergessen: Mit dem neuen Beschaffungsrecht kamen Nachhaltigkeit und Vollkostenrechnung. Die Frage, was wir nicht nur unmittelbar, sondern auch mittel- und langfristig oder für die Umwelt für Kosten verursachen, ist heute zentral.

Dann hat die Nachhaltigkeit im neuen Beschaffungsrecht einen hohen Stellenwert?

Die Nachhaltigkeit ist Gesetzesziel. Das bedeutet eine völlig neue Bewertung im Vergleich zum alten Beschaffungsrecht, in dem es vor allem um Markt, Wettbewerb und Geld ging und das wirtschaftlich günstigste Angebot den Zuschlag erhielt. Auf Bundesebene ist dieses neue Beschaffungsrecht schon seit dem
1. Januar 2021 inkraft, die Kantone treten nun nach und nach bei. Mit der Nachhaltigkeit lassen sich also Mehrkosten, wie sie bei der Verwendung von Schweizer Holz entstehen, gut begründen.

 Sie reden gerne von einem Umdenken, das notwendig ist. Was meinen Sie damit?

Das Recht ist das eine, das andere ist das Mindset. Das Recht ist bereits geändert, das Mindset leider noch nicht überall. Neu soll nicht mehr das wirtschaftlich günstigste Angebot den Zuschlag erhalten, sondern das vorteilhafteste, so fordert es das Gesetz. Das macht klar, dass das keine Preisfrage ist, sondern es sich um ein Qualitätsthema handelt. 

 Sollten die Gerichte vermehrt eingreifen und die Einhaltung der Rechtsumsetzung einfordern?

Die Gerichte kommen ja vor allem dann ins Spiel, wenn der Vorwurf im Raum steht, jemand, der einen Auftrag erhalten hat, erfülle die Rahmenbedingungen von Mindeststandards nicht. Wenn zum Beispiel ein Mitbewerber geltend macht, der Auftrag sei an ein Unternehmen gegangen, das ein erforderliches Zertifikat gar nicht habe. Darüber lässt sich dann einfach befinden. Das Problem aber stellt sich innerhalb dieser Mindeststandards: Da gibt es eine grosse Spielwiese, auf der der Auftraggeber ein gewisses Ermessen hat. Wenn der Auftraggeber Beton statt Holz will, kann niemand kommen und sagen: Du bist rechtlich verpflichtet, Holz zu verwenden. In diesem Ermessensspielraum werden nicht die Gerichte die Treiber sein, sondern die Entscheidträgerinnen und Entscheidträger bei der öffentlichen Hand. 

 Wäre das nicht ein Fall für die Waldlobby?

Durchaus. Egal, ob es sich um Bund, Kanton, Gemeinde, ein öffentlich-rechtliches Elektrizitätswerk oder eine grosse öffentliche Institutionen wie die SBB oder das ASTRA handelt – sie haben alle ein hohes Vergabevolumen. Deshalb sollte die Waldlobby mit diesen Playern in einen öffentlichen Dialog gehen und fragen: Was ist eure Politik? Was ist eure Position? Habt ihr ausreichend Holzbauingenieure mit dem notwendigen Fachwissen? Ein anderer Aspekt für Forderungen aus dem Wald ist die «Beschaffungsstrategie Bund». Diese besagt: Wir wollen das neue Recht umsetzen, wir wollen anbieterfreundlicher und nachhaltiger sein, mehr Qualitätsorientierung, mehr Digitalisierung. In diesem Kontext müssen alle zentralen Beschaffungsstellen vom Bund – armasuisse, Bundesamt für Bauten und Logistik, ASTRA – eine Beschaffungsstrategie vorlegen, ein Leitbild, das ihr Ambitionslevel beschreibt. Nun gibt es jene, die diesen Wechsel sowieso wollen, etwa armasuisse. Und andere, die zögerlich sind. Gäbe es eine mediale Aufarbeitung dieses Themas, kämen gewisse Verwaltungseinheiten in Zugzwang. Das lässt sich natürlich auch auf die Kantone herunterbrechen. Die Kantone könnten für Spitäler, Schulen oder Altersheime Beschaffungsstrategien verlangen, so käme es zum Paradigmenwechsel.

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