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Wissen kann im Rahmen eines Weiterbildungskurses ausgetauscht werden.Grafik: Adobe Stock, WaldSchweiz

Verband & Politik | ZeitschriftenLesezeit 4 min.

Wissen erhalten trotz Generationenwechsel im Forst

Die Babyboomer treten ab. Gemäss einer Umfrage wird bis 2030 etwa jeder zweite Revier- und Betriebsförster sowie jeder zweite Forstingenieur in Rente gehen. So bleibt das Wissen im Betrieb erhalten.

Benno Schmid | Auch in der Waldwirtschaft wird der Austausch von Wissen und Erfahrungen immer wichtiger. Eine Umfrage der Fachstelle für die Aus- und Weiterbildung in der Waldwirtschaft (Codoc) aus dem Jahr 2015 zeigt, dass bis 2030 etwa die Hälfte der Revier- und Betriebsförster sowie der Forstingenieure pensioniert wird. Aktuellere Zahlen sind leider nicht verfügbar. Mit jedem Austritt aus dem Berufsleben geht auch viel Wissen und Erfahrung verloren, insbesondere bei den Babyboomern, da diese Generation im Vergleich zu den folgenden Generationen oft sehr lange im gleichen Unternehmen gearbeitet hat. Stellenwechsel waren für diese Altersklasse noch nicht so häufig. Entsprechend konnten sie sich viel Wissen und Erfahrung aneignen, das es in den Forstbetrieben zu behalten gilt. Die Rede ist hier nicht vom expliziten Wissen. Darunter versteht man jenes Wissen, dessen sich die Wissensträger bewusst sind und das einfach beschrieben werden kann. Dieses wird in Ausbildungen erworben, ist nicht an Personen gebunden und ist in Anleitungen oder Handbüchern gut dokumentiert. Entsprechend ist dieses Wissen für alle mehr oder weniger frei zugänglich. Vielmehr geht es um den Umgang mit dem impliziten Wissen, das beispielsweise beeinflusst, wie man eine bestimmte Situation meistert, das sogenannte Bauchgefühl oder das Know-how. Dieses Erfahrungs- und Intuitionswissen steckt in den Köpfen der einzelnen Mitarbeitenden und kann nur von Mensch zu Mensch persönlich weitergegeben werden. Hierzu zählt beispielsweise der Erfahrungsaustausch im Rahmen eines Weiterbildungskurses.

Wissenstransfer proaktiv angehen

Wissen und Erfahrung sind zu entscheidenden Ressourcen im Berufsleben geworden. Sie bilden unter anderem die Grundlage für Innovationen, was wiederum den Vorsprung auf die Konkurrenz vergrössern kann. Der Austausch von Wissen und Erfahrungen erhöht die Kenntnisse und Kompetenzen der Mitarbeitenden. Entsprechend ist es wichtig, implizites Wissen in explizites Wissen zu überführen, damit es möglichst allen Mitarbeitenden zur Verfügung steht. Dies kann zum Beispiel in Unternehmens-Wikis oder über kollaborative Tools erfolgen.

Eine grosse Bedeutung erhält der Wissens-
transfer in Zeiten des Fachkräftemangels. Insbesondere in der Waldwirtschaft, wo in den kommenden Jahren viele Arbeitende in Pension gehen werden und somit viel Know-how verschwinden wird. Deshalb braucht es Interaktion und Austausch unter den Generationen. Dabei können unterschiedliche Erfahrungen und Ansichten aufeinanderprallen. Aber um als Unternehmen Erfolg zu haben, braucht es das Wissen und die Erfahrungen aller Generationen.

Für Unternehmen gilt es, den Wissenstransfer proaktiv anzugehen. «Es ist von essenzieller Bedeutung, das Bewusstsein für implizites Wissen zu schärfen und die Mitarbeitenden zu ermutigen, ihre Erfahrungen, Beobachtungen und Intuitionen miteinander zu teilen», hält Nils Merz fest. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Fachstelle Human Capital am Institute for Organizational Viability der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). «Die Bedeutung von implizitem Wissen insbesondere für effizientere und effektivere Arbeitsabläufe ist essenziell.» 

Obwohl implizites Wissen schwierig zu dokumentieren ist, gibt es verschiedene Ansätze, um den Zugang zu diesem Wissen zu erleichtern. Das gemeinsame Ausführen von Aufgaben durch Wissensträger und weniger erfahrene Personen ermöglicht das Übernehmen von implizitem Wissen. Durch die Zusammenarbeit können gegenseitiges Beobachten, mündlicher Austausch und aktives Nachfragen den Wissenstransfer erleichtern. Implizites Wissen kann aber auch durch den regelmässigen Austausch zu spezifischen Themen zwischen einem Mentor und einem Mentee weitergegeben werden. Dies ist etwas arrangierter, erfordert Zeit und baut auf Vertrauen auf. Schliesslich kann Wissen auch über Lerngeschichten weitergegeben werden. Kritische Aufgaben werden niedergeschrieben, wobei auf vergangene Fehler fokussiert wird. Die Wissensträgerinnen und -träger analysieren und erklären ihre Vorgehensweisen, während Erkenntnisse mit den Empfängern des impliziten Wissens diskutiert werden. Wissensmanagement soll sich aber nicht nur um den Erhalt und die Dokumentation von Wissen drehen. Man muss sich auch Gedanken über den Erwerb von neuem Wissen machen. «Für Unternehmen ist es entscheidend, Mitarbeiter als Wissensträger zu gewinnen, zu halten und weiterzuentwickeln», betont Nils Merz.

Waldwissen dokumentieren

Nicht nur innerhalb eines Forstunternehmens sollte das Wissen geteilt und zugänglich gemacht werden, sondern auch darüber hinaus. Ein Beispiel hierfür ist das deutsche Wald-Wiki (www.wald-wiki.de). 

Diese Plattform richtet sich an Waldbesitzende, forstwirtschaftliche Zusammenschlüsse sowie Interessierte und bietet ihnen vielfältige Möglichkeiten zum Wissens- und Erfahrungsaustausch rund um den Wald. Die Konzeption als Wiki (Sammlung von Informationen auf einer Internetseite, die von den Nutzenden selbst bearbeitet werden kann) ermöglicht partizipatives Arbeiten und profitiert somit von der Schwarmintelligenz. Aufgeteilt in die Schwerpunkte «Klimawandel & Forstwirtschaft», «Betriebswirtschaft, Recht & Politik» sowie «Wald & Gesellschaft» werden im Wald-Wiki verschiedene Themen aufgearbeitet. Zudem können in einem Forum Fragen diskutiert und Erfahrungen ausgetauscht werden.

Im Schlussbericht zum Vorhaben vom Juni 2022 stellten die Verantwortlichen des deutschen Wald-Wiki jedoch etwas ernüchternd fest, «dass die Lösung von einer Vielzahl an Akteuren als relevant und wichtig erkannt wurde, die Bereitschaft zur aktiven Mitarbeit – bspw. in Form des aktiven Verfassens eigener Artikel/Einträge – jedoch nicht dieser Einschätzung folgte.» Das Wald-Wiki sei mit seinen im Gegensatz zu Social-Media-Angeboten «fachlich deutlich fundierteren, jedoch gleichzeitig nüchtern-seriösen» Informationen weniger auf das schnelle Liken, Kommentieren und Teilen ausgerichtet. Es scheint also schwieriger, Wissen «beliebt» zu machen.

Waldbauliche Erfahrungen sind wichtig

Die Weitergabe von Wissen und Erfahrungen ist auch in der waldbaulichen Praxis wichtig. Andreas Wyss arbeitet seit 1978 in verschiedenen Funktionen im Forstbetrieb Region Büren in Leuzigen BE. Er teilt sein Wissen und seine Erfahrungen gerne innerhalb des Forstreviers, so beispielsweise bei der Ausbildung von Lernenden. Aber auch ausserhalb des Betriebs müsste aus seiner Sicht mehr auf die Erfahrung der langjährigen Forstarbeitenden gehört werden. Als Beispiel nennt er die Anpassungen des Waldes an den Klimawandel, wo insbesondere politische Entscheidungsträger davon profitieren könnten: «Trotz klimatischer Veränderungen, die unbestritten feststellbar sind, sollten die gewonnenen Erfahrungen der Forstleute vor Ort nicht ausser Acht gelassen werden.» In Diskussionen mit Politikern und in der Fachpresse würden Schlagworte wie klimafitte und klimaresistente Waldbewirtschaftung, Waldumbau oder Ersatzbaumarten auftauchen. Dies habe zur Folge, dass Bewirtschaftungskonzepte gegeneinander ausgespielt würden. «Das führt in erster Linie zu Missverständnissen, denn unterschiedliche Waldflächen benötigen unterschiedliche Arten der Bewirtschaftung.» Die langjährige Erfahrung der Forstleute helfe dabei, die jeweils passende Bewirtschaftungsart
zu finden. Revierförster Ernst Vetsch aus Azmoos SG sieht dies ebenso. Er wird in rund zwei Jahren in Pension gehen und hat sich bereits lange vor diesem Zeitpunkt Gedanken gemacht, wie er seine Erfahrungen an seine Nachfolge weitergeben kann. «Als Revierförster weiss ich, was in meinem Wald funktioniert und was nicht», bilanziert Vetsch. Da er mit der Bewirtschaftung nach dem Dauerwaldprinzip in kurzer Zeit sehr gute Erfahrungen gesammelt hat, sind diese bei der Erneuerung des Betriebsplans eingeflossen. «Meine Nachfolge kann nun in den kommenden Jahren auf diese Weise von meinen Erfahrungen profitieren.» 

Das schriftliche Festhalten des Erfahrungswissens reicht aber nicht. Oft sei die Übergangszeit zwischen zwei Stelleninhabern zu kurz bemessen. Ernst Vetsch hat deshalb immer wieder bei seinen Vorgesetzten sowie den Waldeigentümerinnen und -eigentümern darauf hingewiesen, die Nachfolge frühzeitig zu regeln, zumal eine Pensionierung ja planbar sei. «Die Jungen bringen viel Fachwissen mit, was die Administration betrifft», sagt Vetsch. Dies müssten sie nicht mehr lernen. «Aber Waldbau lernt man nicht von heute auf morgen. Da ist viel Praxiserfahrung nötig.» Vetsch ist deshalb überzeugt, dass sich eine gut
organisierte Nachfolgeregelung mit genügend Zeit für den Wissenstransfer
wirtschaftlich lohnt.

Das Spannungsfeld zwischen den unterschiedlichen Interessen der Anspruchsgruppen bemerkt Andreas Wyss. Gerade wenn es um die Zusammenarbeit mit Waldbesitzenden und lokalen Behördenvertretungen gehe, würden oft verschiedene Ansichten aufeinanderprallen. «Wichtig ist das gegenseitige Vertrauen und das Verständnis für das, was wir im Wald tun. Der Forstbetrieb muss rentabel sein, und die Sicherheit beim Arbeiten muss gewährleistet sein.» Gerade neue Behördenmitglieder würden dem oft neue Ideen gegenüberstellen. Er sei aber nicht aus Prinzip gegen andere Meinungen, betont Wyss. Vielmehr sei es wichtig, dass man sich austausche und von den gegenseitigen Erfahrungen profitiere. 

Um in der Zukunft auf dem Arbeitsmarkt erfolgreich zu sein, dürften nebst der digitalen Kompetenz (Umgang mit digitalen Tools) auch die Problemlösungsfähigkeiten und die Fähigkeit zur Selbstwahrnehmung von hoher Bedeutung sein. Dies zeigt, dass man das Wissen und die Erfahrungen aller braucht, um Erfolg zu haben. Denn: Wissen und Erfahrungen sind die einzigen Ressourcen, die sich vermehren, je mehr man sie teilt. 

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